Wir leben überall, aber wir erinnern uns an das Verweilen an ganz bestimmten Orten. Ein solcher Ort der Erinnerung kann der zukünftige neue Marienkirchhof in der Dortmunder Innenstadt werden.
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Neu- und Umgestaltung des Gemeindehauses der St. Marien-Gemeinde war die Aufwertung der gestalterischen Qualitäten des St. Marien - Kirchhofes als Platz in Verbindung mit einer Steigerung der heute kaum gegebenen Aufenthaltsqualität. Die Defizite haben wir vornehmlich in der materiellen Gestaltung der Platzfläche und deren Gliederung, sowie der abgrenzenden Wirkung durch die bestehende Mauer erkannt.
Die Gestaltung des bestehenden Gemeindehauses hingegen ist aus unserer Sicht dem Ort angemessen und lediglich im Detail aufzuwerten. Insofern wird dem Äußeren kein neues Gewand übergestülpt – es erfolgt eine, an die heutige Zeit angepasste, Interpretation der Ursprungsgedanken des Architekten „Kessemeier“, überdies wird eine funktionale Neuordnung der Grundrissorganisation auf die heutigen Bedürfnisse vorgenommen.
Wesentlich bei der Neuordnung ist die Erweiterung des „Brückenbauwerkes“ in westlicher Richtung, wodurch eine „konfliktfreie“ Verbindung zwischen Kirche und Hauptgebäude des Gemeindehauses gewährleistet wird. Bei der äußeren Gestaltung des Verbindungsbauwerkes wird der Gedanke an die brückenartige Verbindung gestalterisch weiter herausgearbeitet und in seiner Wirkung gesteigert. Diese Erweiterung ermöglicht zudem die überdachte Verbindung zwischen Kirche und Gemeindehaus auf Platzniveau. Die Lage des neuen Aufzuges als Hauptelement der vertikalen Erschließung ermöglicht eine sinnvolle barrierefreie Verknüpfung sämtlicher Nutzungsbereiche und ist so angeordnet, dass sowohl das äußere Erscheinungsbild nicht beeinträchtigt wird, als auch der Zuschnitt der Ladenflächen nicht wesentlich verändert wird. Das bestehende Treppenhaus im Foyerbereich wird ins Dachgeschoss weitergeführt und erhält eine zusätzliche natürliche Belichtung von oben, um den gesamten Foyerbereich aufzuwerten.
Die durch die Aufstockung bedingte Neugestaltung des Daches ist überwiegend transparent ausgebildet und orientiert sich von der Ausrichtung her auf den Platz und die Marien Kirche. Da die Höhen der Aufstockung nur unwesentlich und in Teilbereichen über denen des Bestandes liegen werden die wichtigen Sichtbeziehungen im Stadtgefüge nicht gestört. Für das „Sitzungszimmer für Abendkreise“ werden drei mögliche Anordnungen vorgeschlagen – die genaue Lage ist im weiteren Planungsverlauf zu klären, wobei aus unserer Sicht die Lage im Dachgeschoss wegen der Verbindung zur Dachterrasse zu bevorzugen ist.
Um der Erkennbarkeit des Gemeindehauses im Straßenbild – insbesondere zur Kleppingstraße hin - Rechnung zu tragen wird der Bereich des Foyers im Erdgeschoss erweitert und gestalterisch aufgewertet. Der Eingangsbereich als vorgesetztes Element definiert durch die Architektursprache eine erkennbare Zugangssituation für das Gemeindezentrum.
Der Platz der St. Marienkirche ist durch eine Überlagerung historischer Schichten gekennzeichnet. Aufgrund einzelner, tendenziell stets solitär betrachteter Umbaumaßnahmen und Renovierungen ist in späterer Zeit die heute ablesbare Höhenstaffelung und die durch Mauern und sonstige Einbauten bedingte Zergliederung der Platzfläche entstanden.
Ziel des Entwurfs ist es daher, einen als zusammenhängenden Platzraum ablesbaren Aufenthaltsbereich zwischen St. Marienkirche und dem Gemeindezentrum zu schaffen und dabei die historischen Schichten des Ensembles aus Kirche, späteren baulichen Ergänzungen und Platzraum wieder eindeutig herauszuarbeiten. Darüber hinaus soll der Platz im Kontext der angrenzenden Stadträume seinen eigenständigen Charakter in Funktion und Gestaltung erhalten.
Zentrale Maßnahmen sind dabei die Aufgabe der den Platz teilenden Mauer und deren Ersatz durch eine Freitreppe zum Kirchenniveau sowie die subtile Anpassung des Platzgefälles in Richtung St. Marienkirche und die dadurch mögliche Erweiterung der nutzbaren Platzfläche unter Wahrung der Bodendenkmäler.
Der Platzraum wird als "Ort der Ruhe" gestaltet, setzt sich mit dieser kontemplativen Ausrichtung von den quirligen Stadträumen der Umgebung ab und erhält mit einem durchgehenden Belag aus Grauwacke-Kleinpflaster eine seiner Funktion und Bedeutung innerhalb des Gesamtensembles angemessene Gestaltung. Eine Baumgruppe fokussiert den Platz innerhalb seines westlichen Kopfes und erhält eine Steinbank als Pendant am östlichen Platzauftakt.
Die Freitreppe führt auf voller Länge des Platzes auf den "historischen Podest" der St. Marienkirche, dessen Gestaltung aus Sandsteinplatten südlich des Kirchenschiffs ergänzt wird und so diese Zeitschicht umfänglich sichtbar macht. Am östlichen Platzende wird die gegenüber dem Platz kürzere Ausdehnung des "historischen Podest" genutzt, um die Freitreppe bis auf das Niveau des angrenzenden St. Reinoldi Kirchplatzes zu führen.
Die Freitreppe selbst wird wie die Steinbank der Platzfläche aus rohem Beton als ein Element des Jetzt gestaltet. Die in der Wahrnehmung des Platzes an der St. Marienkirche völlig verschwundene Funktion als der ursprüngliche Friedhof wird über eine niveaugleiche Intarsie aus brünierten Stahl auf dem "historischen Podest" (in Form des früheren Mausoleums) und über die als Steinmetzarbeit in die Ansichtflächen der Betonstufen eingebrachten Namen der historischen Gräber wieder ablesbar gemacht. Die erforderliche offene Pollerreihe entlang der Freitreppe wird ebenfalls aus brünierten Stahl angelegt.
Die Platzbeleuchtung wird vollständig über an den Baukörpern montierte Leuchten realisiert, darüber hinaus werden die Baumgruppe und die Steinbank unterleuchtet und setzen so der Platzatmosphäre angemessene Akzente.
In Zusammenhang mit einer Anpassung der Höhenlage des Durchgangs unter dem östlichen Gebäudeflügel des Gemeindehauses und der benannten Veränderung des Platzgefälles wird eine barrierefreie Anbindung zwischen Platz und Kircheneingang geschaffen, die die bisherige separate Rampe ersetzt.
In Zuusammenarbeit mit Landschaft planen + bauen NRW GmbH, Dortmund